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Urlaubsabgeltung in Geld für Beamten

Eine beamtenrechtliche Frage treibt seit einiger Zeit die deutschen Verwaltungsgerichte und auch europäische Gerichte um: kann ein Beamter Urlaubsabgeltung in Geld verlangen, wenn er wegen Krankheit vor seinem Eintritt in den Ruhestand nicht mehr Urlaub nehmen konnte?
Eine gute Übersicht über den Meinungsstand im Jahr 2010 bietet die nachfolgende Entscheidung des VG Düsseldorf, die auch erkennen lässt, wie schwierig die Materie ist.
Die hier vertretene Meinung scheint sich weitgehend durchgesetzt zu haben, wie Sie auch einer am Ende dieser Seite erwähnten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts entnehmen können.

Zunächst sollten Sie aber auf Heft 32 der NJW 2015 zugreifen mit dem Aufsatz von Dr. Nikolaus Polzer und Frank Kafka: "Verfallbare und unverfallbare Urlaubsansprüche", NJW 2015, 2289 ff.
Der Aufsatz befasst sich zwar mit der arbeitsrechtlichen (nicht: beamtenrechtlichen) Seite der Problematik, legt aber die Mitte 2015 herrschende Auffassung sehr klar dar.


Wir müssen aber vorsorglich bekennen, dass uns diese Thematik nicht sonderlich interessiert.
Mandate möchten wir zu diesen Fragen nicht übernehmen.


Urteil  des VG Düsseldorf - 13 K 8443/09 - vom 04.08.2010

Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG begründet auch für Beamte unmittelbar einen Anspruch auf Abgeltung von Urlaub, wenn der Beamte während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.
Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht nur bis zur Höhe des durch Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindesturlaubs in Höhe von vier Wochen bzw. 20 Arbeitstagen.
(weitgehend parallele Entscheidung zum Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 25.06.10, 13 K 5206/09).

Die Beklagte wird ... verpflichtet, dem Kläger für 34 Urlaubstage aus den Jahren 2008 und 2009 eine finanzielle Abgeltung zu gewähren.


Der Kläger stand als Verwaltungsamtmann im Dienst der Beklagten. Vom 17.01.08 bis zum 30.09.09 war er dienstunfähig erkrankt. Im Januar 2008 wurde dem Kläger für einen Tag Urlaub gewährt. Mit Bescheid vom 29.09.09 versetzte ihn die Beklagte mit Ablauf des Monats September 2009 in den Ruhestand.
Mit Schreiben vom 20.11.09 machte der Kläger einen Urlaubsabgeltungsanspruch für die Zeit vom 17.01.08 bis zum 30.09.09 geltend. Zur Begründung verwies er darauf, dass er aufgrund seiner Erkrankung seinen Erholungsurlaub nicht habe antreten können. In einem vergleichbaren Fall habe der Europäische Gerichtshof entschieden, dass der nicht genommene Urlaub abzugelten sei.
Mit Bescheid vom 26.11.09 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass das erwähnte Urteil des Europäischen Gerichtshofs und das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.03.09 sich lediglich auf Beschäftigungsverhältnisse bezögen. Für Beamte verbleibe es zurzeit noch bei den bisherigen Verfallfristen.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft, da die Entscheidung über die Urlaubsabgeltung in Geld ebenso wie die Entscheidung über die Urlaubsgewährung selbst ein Verwaltungsakt ist.
Ebenso Verwaltungsgericht Hannover, Urteile vom 29.04.10 - 13 A 3250/09 -, und vom 15.10.09 - 13 A 2003/09 -; Verwaltungsgericht München, Urteil vom 17.11.09 - M 5 K 09.1324 -; Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 21.07.09 - 6 K 1253/08.KO -.

Sie ist auch hinreichend bestimmt, da die Zahl der Urlaubstage, für die eine Abgeltung begehrt wird, angegeben worden ist. Einer Bezifferung der Höhe des geltend gemachten Anspruchs bedarf es nicht, da dieser sich nach den Bezügen im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand richtet, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben und damit nicht Teil der durch den begehrten Verwaltungsakt zu treffenden Regelung sind.

Dem Kläger steht nur für 34 Urlaubstage aus den Jahren 2008 und 2009 ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung zu. Bezüglich der darüber hinaus geltend gemachten Urlaubstage ist ein solcher Anspruch nicht begründet.

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG.
Nach dieser Bestimmung darf der bezahlte Mindesturlaub, wie er durch Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG gewährleistet ist, außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Hieraus hat der Europäische Gerichtshof - Urteil vom 20.01.09 - C 350/06 und C 520/06 -
über das unmittelbar geregelte Verbot hinaus abgeleitet, dass Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Weiter hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, dass der Arbeitnehmer in dieser Situation einen sich aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ergebenden Anspruch auf Abgeltung des wegen Krankheit nicht genommenen Urlaubs hat. Dieser Rechtsprechung schließt sich das erkennende Gericht zur Wahrung der Rechtseinheit an.

Ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.09.09 - 6 B 1236/09 -.

Die Richtlinie 2003/88/EG gilt auch für Beamte nach deutschem Recht.
Arbeitnehmer im Sinne von Art. 7 RL 2003/88/EG und der Begriffsbestimmung in Art. 2 RL 2003/88/EG sind auch Beamte.
Dies folgt aus Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG, wonach die Richtlinie für alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche im Sinne des Artikels 2 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12.06.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. L 183 vom 29.06.1989, S. 1) RL 89/391/EWG gilt. Die zuletzt genannte Vorschrift sieht in ihrem zweiten Absatz bestimmte Einschränkungen bei der Anwendung der Richtlinie im Bereich der Streitkräfte und der Polizei vor. Derartige einschränkende Normen wären nicht erforderlich, wenn die Richtlinie von vornherein für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse keine Geltung beanspruchte.
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.03.10 - 2 A 11321/09 -; Verwaltungsgericht München, Urteil vom 17.11.09 - M 5 K 09.1324 -; Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Beschluss vom 04.08.09 - 1 L 667/09 -; Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 10.06.10 - 5 K 175.09 -; ebenso im Ergebnis Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.05.09 - 1 A 2652/07 -, Rdn. 62 ff., und Beschluss vom 21.09.09 - 6 B 1236/09 -; a.A. Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 21.07.09 – 6 K 1253/09.KO –; dem folgend Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 15.10.09 – 13 A 2003/09 –, Rdn. 24, 25.

Der Kläger kann sich auch unmittelbar auf Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG berufen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob Arbeitnehmer, die in einem Dienstverhältnis zum Staat stehen, sich auch ohne Umsetzungsakt unmittelbar auf eine Richtlinie, die sich zunächst an die Mitgliedstaaten richtet (Art. 288 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV], zuvor Art. 249 Abs. 3 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [EGV]), berufen können.
Vgl. hierzu Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.02.09 - 12 Sa 486/06 - Rdn. 130 ff.

Auch wenn man zu Grunde legt, dass Richtlinien keine unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten haben, ihre Geltung also erst nach der Umsetzung in nationales Recht durch den Mitgliedstaat eintritt, wäre es mit der den Richtlinien durch Art. 288 Abs. 3 AEUV / Art. 249 Abs. 3 EGV zuerkannten verbindlichen Wirkung unvereinbar, grundsätzlich auszuschließen, dass sich betroffene Personen auf die durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtung berufen können. ...
Einzelne können sich auf diese Bestimmungen auch berufen, soweit diese Rechte festlegen, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden können.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 19.01.1982 - Rs. 8/81 -; dem folgend Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08.04.1987 - 2 BvR 687/85 -, BVerfGE 75, 223 (239 ff.).

Eine Richtlinienbestimmung entfaltet also dann ausnahmsweise unmittelbare Wirkung zu Gunsten des Einzelnen, wenn die Umsetzungsfrist abgelaufen ist, der betreffende Mitgliedstaat die Richtlinie nicht oder nicht vollständig umgesetzt hat und die einzelne Bestimmung inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 8.10.1987 - Rs. 80/86 -; Urteil vom 5.10.04 - Rs. C-397/01 bis C-403/01 - Pfeiffer, NJW 2004, 3547, Rdn. 103.

Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG vor.

Eine Umsetzung der Richtlinie ist insoweit bislang nicht erfolgt. Die das Rechtsverhältnis der Beteiligten betreffenden nationalen Regelungen, insbesondere die Erholungsurlaubsverordnung, enthalten keine Bestimmung, aus der sich - direkt oder im Wege richtlinienkonformer Auslegung - ein Abgeltungsanspruch für krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaub ergäbe.
So etwa mit Blick auf § 44 Beamtenstatusgesetz und das entsprechende rheinland-pfälzische Landesrecht sowie zu § 7 Abs. 4 BUrlG OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.03.10 2 A 11321/09 -, Rdn. 18 ff.

Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist in der Auslegung, die er durch das o.g. Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 20.01.09 erfahren hat, auch inhaltlich unbedingt und hinreichend genau. Wie oben ausgeführt, begründet die Vorschrift unter den o.g. Voraussetzungen einen Abgeltungsanspruch des Arbeitnehmers, ohne dass weitere Bedingungen erfüllt sein müssen. Da nach der genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus zu entnehmen ist, dass für die Berechnung der entsprechenden finanziellen Vergütung das gewöhnliche Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, maßgebend ist, ist das sich aus der Norm ergebende Recht im Sinne der o.g. Kriterien auch hinreichend genau.

Ebenso Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 10.06.10 - 5 K 175.09 -, juris, Rdn. 10 ff.; a.A. Verwaltungsgericht München, Urteil vom 17.11.09 - M 5 K 09.1324 -, juris, Rdn. 22 f., mit dem allerdings den Aussagegehalt der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu stark verengenden Hinweis darauf, dass die dortigen Ausführungen zur europarechtskonformen Auslegung der Bestimmung des § 7 Abs. 4 BUrlG entwickelt worden seien, der im Beamtenverhältnis nicht gelte.

...

Nach diesen Maßstäben kann eine gegenüber Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG für den Kläger günstigere Regelung nicht deshalb angenommen werden, weil ihm als Beamten im Falle der Erkrankung bis zur Zurruhesetzung seine Bezüge in vollem Umfang gezahlt werden, Arbeitnehmer dagegen nach dem Gesetz nur im Rahmen des Entgeltfortzahlungsgesetzes einen Anspruch auf Fortzahlung ihres Arbeitslohns haben und danach auf das Krankengeld nach §§ 44, 47 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) verwiesen sind. Die Frage der Fortzahlung der Bezüge bzw. des Arbeitslohns im Krankheitsfall ist nicht Gegenstand der Regelungen der Richtlinie 2003/88/EG, die ausdrücklich nur bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung betrifft. Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, dass der Richtliniengeber die Regelung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG in Ansehung einer bestimmten unionsweit bestehenden Rechtslage hinsichtlich der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erlassen hätte, so dass unter diesem Aspekt eine entsprechende Vergleichsbetrachtung gerechtfertigt sein könnte. Weder die Regelungen der Richtlinie 2003/88/EG noch deren Erwägungsgründe geben hierfür irgendeinen Hinweis. Auch der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist nicht zu entnehmen, dass der dort bejahte Anspruch auf Urlaubsabgeltung auf einer bestimmten Rechtslage zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall beruhte. Erst recht ist nicht ersichtlich, dass diese - zumal unionsweit - mit der Gesetzeslage in Deutschland übereinstimmte.

Ebenso wenig kommt es vor diesem Hintergrund darauf an, dass dem Dienstherrn durch die Erkrankung des Beamten keine finanziellen Vorteile entstehen und dem Beamten keine finanziellen Nachteile, mit der Folge, dass für einen Ausgleich durch die Gewährung eines Vergütungsanspruchs für nicht genommen Urlaub keine Notwendigkeit bestünde.
So aber Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.03.10 - 2 A 11321/09 -, juris, Rdn. 33.

Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sichert nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.09 den durch Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindesturlaub in der Form ab, dass in dem hier streitigen Fall ein finanzielles Surrogat an die Stelle des nicht mehr realisierbaren Primäranspruchs tritt. Dass dieses Surrogat dem Ausgleich finanzieller Nachteile während der Zeit der Erkrankung diente, ist weder dem Urteil noch der Richtlinie im Übrigen zu entnehmen.
Ebenso Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 10.06.10 - 5 K 175.09 -, Rdn. 19.

...

Aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG in der o.g. Auslegung ergibt sich auch ein Anspruch des Klägers auf finanzielle Abgeltung.
Mit dem Eintritt des Klägers in den Ruhestand lag eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses im Sinne von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG vor. Dem steht nicht entgegen, dass sich das Beamtenverhältnis nach deutschem Recht in vielerlei Hinsicht von dem Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers unterscheidet. Geht man aus den o.g. Gründen davon aus, dass Art. 7 RL 2003/88/EG auch auf Beamte Anwendung findet, kann der Anwendungsbereich der Bestimmung nicht durch ein von nationalem Recht geprägtes Verständnis seiner Tatbestandsmerkmale eingeengt werden. Maßgeblich für die Definition des Tatbestandsmerkmals ist vielmehr der Regelungsgehalt dieser Bestimmung unter Berücksichtigung der vom Europäischen Gerichtshof vorgenommenen Auslegung. Nach ihrem Wortlaut verfolgt die Norm zunächst das Ziel, dass sich ein noch im Dienst stehender Beschäftigter seinen Erholungsurlaub nicht "abkaufen" lassen darf. Darüber hinaus soll sie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dem Beschäftigten aber das finanzielle Äquivalent seines Urlaubsanspruchs sichern, wenn er seinen Urlaubsanspruch aufgrund seiner Erkrankung nicht realisieren konnte und aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch nicht mehr realisieren kann. Damit bezeichnet der Begriff der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Zustand, in dem der Beschäftigte nicht mehr zur Dienstleistung verpflichtet ist und entsprechend keinen Urlaub mehr nehmen kann.
Vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 20.01.09 - C 350/06 und C 520/06 -, juris, Rdn. 56: "Wenn das Arbeitsverhältnis endet, ist es nicht mehr möglich, tatsächlich bezahlten Jahresurlaub zu nehmen."

Dieser Zustand ist aber nicht nur dann erreicht, wenn die Rechtsbeziehungen zu dem bisherigen Arbeitgeber oder Dienstherrn gänzlich beendet sind, sondern liegt auch dann vor, wenn diese derart umgestaltet sind, dass jedenfalls die Dienstleistungspflicht des Beschäftigten entfällt.
Eine solche Situation ist aber auch bei dem Eintritt eines Beamten in den Ruhestand gegeben. Zwar besteht das Beamtenverhältnis in dieser Situation fort, es wandelt sich allerdings von einem aktiven Dienstverhältnis in ein Ruhestandsverhältnis. In diesem bestehen weiterhin gewisse Pflichten des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn; die Dienstleistungspflicht des Beamten erlischt jedoch und entsprechend die Möglichkeit, Urlaub zu nehmen. Demzufolge ist das Ruhestandsverhältnis eines Beamten nicht als fortbestehendes Arbeitsverhältnis im Sinne von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG zu werten; vielmehr liegt mit seiner Versetzung in den Ruhestand eine Beendigung seines Arbeitsverhältnisses im Sinne dieser Bestimmung vor.

Ebenso Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 10.06.10 - 5 K 175.09 -, juris, Rdn. 20, a.A. allerdings jeweils ohne Auseinandersetzung mit dem Sinn und Zweck des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 3.11.09 - 2 K 180/09.KO -, juris, Rdn. 20; Verwaltungsgericht München, Urteil vom 17.11.09 - M 5 K 09.1324 -, juris, Rdn. 23; dem folgend Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 4.06.10 - 26 K 3499/09 -, n.v.

Der Anspruch des Klägers auf finanzielle Abgeltung besteht jedoch nur im Hinblick auf 34 Urlaubstage aus den Jahren 2008 und 2009 (19 Urlaubstage aus dem Jahr 2008 und 15 Urlaubstage aus dem Jahr 2009). Soweit der Kläger darüber hinaus eine Abgeltung für elf weitere Tage Erholungsurlaub aus dem Jahr 2008 und für 15 weitere Tage Erholungsurlaub aus 2009 begehrt, steht ihm demgegenüber kein Abgeltungsanspruch zu.

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht nur bis zur Höhe des durch Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindesturlaubs in Höhe von vier Wochen. In Ansehung der Verteilung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage (§ 3 Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten in Nordrhein-Westfalen) entspricht dies für den Kläger einem Mindesturlaub von 20 Tagen. Der darüber hinaus gehende Anspruch auf Erholungsurlaub nach nationalem Recht, hier nach § 5 Abs. 2 EUV, wird von der Gewährleistung des Abgeltungsanspruchs in Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nicht erfasst.

In seinem Urteil vom 20.01.09, in dem der Europäische Gerichtshof den Gewährleistungsgehalt des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG auch als Abgeltungsanspruch definiert hat, hat er zugleich in Bezug auf die Frage der Höhe der Abgeltung auf die "Dauer des Jahresurlaubs im Sinne dieser Richtlinie" (Rdn. 58 des Urteils) abgestellt und nicht etwa auf den nach einzelstaatlichen Regeln eingeräumten, möglicherweise längeren Urlaub. Die insoweit günstigere einzelstaatliche Vorschrift (Art. 15 der Richtlinie) nimmt mit ihren zusätzlichen Rechten nicht an den Gewährleistungen der Richtlinie teil, die sich in beiden Absätzen des Art. 7 ausdrücklich auf den Mindestjahresurlaub beschränkt.

Nach diesem Maßstab steht dem Kläger ein Abgeltungsanspruch, wie oben ausgeführt, nur für insgesamt 34 Urlaubstage aus den Jahren 2008 und 2009 zu. Nach der von der Beklagten vorgelegten Urlaubskarte hat der Kläger im Januar 2008 einen Tag Urlaub genommen. Das hat der Kläger auch nicht substantiiert in Zweifel gezogen.
Bezogen auf den Mindesturlaub von 20 Tagen gemäß Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG folgt hieraus, dass dem Kläger für das Jahr 2008 noch ein Resturlaubsanspruch von 19 Tagen zustand. Für das Jahr 2009 stand ihm angesichts seiner Zurruhesetzung zum 01.10.09 der anteilige Mindesturlaub für neun Monate in Höhe von 15 Arbeitstagen zu. Insgesamt errechnet sich hieraus ein Abgeltungsanspruch in Bezug auf 34 Urlaubstage.

Für die Berechnung der dem Kläger zu gewährenden finanziellen Abgeltung gilt Folgendes:
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20.01.09 ist die finanzielle Vergütung, auf die ein Arbeitnehmer Anspruch hat, der aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage war, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses auszuüben, in der Weise zu berechnen, dass der Arbeitnehmer so gestellt wird, als hätte er diesen Anspruch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt. Folglich ist - so der Europäische Gerichtshof - das gewöhnliche Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, auch für die Berechnung der finanziellen Vergütung für bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub maßgebend (Urteil, Rdn. 61).
Grundlage für die Berechnung ist hiernach die dem Beamten unmittelbar vor der Zurruhesetzung zustehende Bruttobesoldung. Dieser zeitliche Bezug ergibt sich aus der Überlegung, dass die finanzielle Abgeltung erst nach der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt werden darf und sie der Abgeltung des Urlaubs dient, der ohne die durchgehende Erkrankung des Beamten spätestens unmittelbar vor der Zurruhesetzung hätte genommen werden können. Mangels speziellerer Regelung ist der Abgeltungsbetrag pro nicht genommenem Urlaubstag, um Besonderheiten des letzten Beschäftigungsmonats nicht anspruchserheblich werden zu lassen, in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 7 Abs. 4 BUrlG
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.02.10 - 9 AZR 128/09 -, Rdn. 123 -

wie folgt zu berechnen: Die Bruttobezüge des letzten Monats vor der Zurruhesetzung sind mit dem Faktor 3 zu multiplizieren (Quartalsbetrachtung); alsdann ist der errechnete Betrag durch 13 zu teilen (Wochenzahl des Quartals). Weiter ist der sich hieraus ergebende Betrag durch fünf zu teilen (Arbeits-/Urlaubstage je Woche).

Die Berufung war gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Hinzuweisen ist unter anderem noch auf einen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 16.10.12 - 9 AZR 63/11, der sich mit der Frage befasst, ob der Urlaubsanspruch für weiter zurückliegende Jahre noch geltend gemacht werden kann.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.10.12 - 9 AZR 63/11 -:
"Besteht die Arbeitsunfähigkeit auch am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres fort, so gebietet auch das Unionsrecht keine weitere Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs (vgl. EuGH 22.11.11 - C-214/10 - [KHS] Rn. 38). Der zunächst aufrechterhaltene Urlaubsanspruch erlischt somit zu diesem Zeitpunkt (vgl. BAG 07.08.12 - 9 AZR 353/10 - Rn. 32 ff., NZA 2012, 1216)."

Zu einer bedauerlichen Konstellation hat sich das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 12.03.13 geäußert (Az. 9 AZR 532 / 11). Dabei ging es um die Frage, ob die Erben nach dem Tod eines Arbeitnehmers Abgeltung für nicht genommenen Urlaub verlangen können.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.03.13 - 9 AZR 532 / 11 -
"Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 20.09.11 (- 9 AZR 416/10 - Rn. 19 ff.) im Einzelnen ausgeführt, dass in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, der Urlaubsanspruch untergeht und deshalb die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ursächlich dafür ist, dass der Urlaubsanspruch nicht mehr erfüllt werden kann. Unerheblich ist dabei, ob der Erblasser bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krank war. Weder erwirbt der Erblasser zu Lebzeiten ein Anwartschaftsrecht auf Urlaubsabgeltung, das nach dem Erbfall zu einem Vollrecht erstarkt, noch besteht ein werdendes Recht, das als vermögenswertes Recht nach § 1922 Abs. 1 BGB auf seine Erben übergeht. Diese Grundsätze stehen im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.03 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18.11.03 S. 9)."

Wie schon oben erwähnt: uns interessiert diese Problematik nicht, bitte wenden Sie sich an andere Anwälte.
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Der Kläger war vor seiner Pensionierung längere Zeit krank und konnte seinen Urlaub nicht nehmen.
Er wollte Urlaubsabgeltung in Geld.
Der Dienstherr lehnte ab.

Für Insider: Verpflichtungsklage als richtige Klageart.









Das Gericht gibt dem Kläger teilweise Recht.



Es beruft sich auf Europarecht.